Liebe Eltern, Sorgeberechtigte, BezugsbetreuerInnen und andere Bezugspersonen,
wir freuen uns, dass Sie Interesse an unserem Projekt
Deutsches FASD KOMPETENZZENTRUM Bayern
haben!
Im Folgenden haben wir für Sie zusammengefasst:
- Informationen zu FASD
- Sozialpädiatrische Zentren mit FASD Diagnostik nach S3-Leitlinie
- FASD-Eltern App
- Tipps für den Alltag
Wenn Sie Fragen haben, können Sie sich gerne an uns wenden: fasd@med.uni-muenchen.de.
Ihr Team des Deutschen FASD KOMPETENZZENTRUM Bayern
Informationen zu FASD
Hintergrund – Informationen
Etwa ein Drittel aller Frauen in Deutschland trinkt Alkohol während der Schwangerschaft.
Kein Zeitpunkt und keine Menge an Alkohol sind in der Schwangerschaft erwiesenermaßen unschädlich für das werdende Kind.
Im Mutterleib kann die Exposition gegenüber Alkohol, einem der schädlichsten Umweltgifte, zu einer toxischen, biologisch irreversiblen Gehirnschädigung beim Kind führen.
Daraus können vielfältige und schwerwiegende Beeinträchtigungen in der körperlichen und geistigen Entwicklung des Kindes, im Verhalten und weiterführend in der selbstständigen Lebensbewältigung entstehen.
Diese Beeinträchtigungen werden als Fetale Alkoholspektrumstörung – FASD (fetal alcohol spectrum disorders) – zusammengefasst. Zu den FASD zählen das Fetale Alkoholsyndrom (FAS), das partielle Fetale Alkoholsyndrom (pFAS) und die alkoholbedingte entwicklungsneurologische Störung (ARND-alcohol related neurodevelopmental disorder).
Mindestens 1% aller Kinder kommen mit einer FASD auf die Welt – damit ist die FASD die häufigste mit Geburt bestehende chronische Krankheit in Deutschland.
Sie kann durch Alkoholabstinenz in der Schwangerschaft vollständig vermieden werden.
Alkoholkonsum in der Schwangerschaft und dessen Folgen beim Kind sind dabei nicht das Problem einer einzelnen Frau, sondern eine gesellschaftliche Herausforderung.
Fallbeispiel
Die biologische Mutter von Fabian hat in der Schwangerschaft Alkohol getrunken. Wie viel weiß sie nicht mehr. Da die Mutter sich wegen eigener Probleme nicht genügend um Fabian kümmern konnte, wurde er mit 2 Jahren in eine Pflegefamilie aufgenommen.
In der weiteren Entwicklung fiel den Pflegeeltern auf, dass Fabian sehr umtriebig war, ohne zu überlegen handelte und von einem Spiel zum nächsten sprang. Wenn etwas nicht nach seinem Willen ging, brachte ihn das enorm auf und er benötigte Stunden, um wieder normal mit den Pflegeeltern und -geschwistern umgehen zu können.
Außerdem machten die Pflegeeltern sich Sorgen, dass Fabian nicht ausreichend isst, da er für sein Alter immer klein blieb.
Die Pflegeeltern wurden mit der Zeit immer besorgter, da sich die Verhaltensprobleme von Fabian mit dem Alter zuspitzten und er Lernschwierigkeiten in der Schule zeigte. Er geriet auch immer wieder in gefährliche Situationen, die er scheinbar gar nicht einschätzen konnte und woraus er auch nichts lernte.
Die Pflegeeltern und -geschwister unterstützten ihn sehr liebevoll und fingen seine Probleme immer wieder auf.
Jetzt, im Alter von 10 Jahren, kann Fabian normale Alltagsaufgaben wie sich waschen oder anziehen noch immer nicht selbständig erledigen, sondern muss von der Mutter daran erinnert werden. Für die gleichen Abläufe benötigt er immer wieder Erklärungen und Hilfestellungen. Er hat es bisher auch nicht geschafft, den Schulweg alleine zu bewältigen.
Die Pflegeeltern sind verzweifelt und stellen ihre Erziehungsfähigkeit in Frage. Die vielen ÄrztInnen und PsychologInnen, denen Fabian im Laufe der letzten Jahre vorgestellt wurde, waren entweder ratlos oder unterstellten ein nicht-funktionierendes Familiensystem. Sie hinterließen die Eltern mit dem Gefühl, dass sie falsch mit Fabian umgingen.
Fabian wurde vielen Untersuchungen unterzogen: neurologische Untersuchungen, Messung der Hirnströme (EEG), Kernspintomographie des Kopfes und multipelste Blutuntersuchungen – alles wurde als unauffällig befundet. Die psychologische Testung ergab einen durchschnittlichen Intelligenzquotienten (IQ).
Fabian ist jetzt 10 Jahre alt, ist in Gefahr in der Schule nicht versetzt zu werden, kann sich nicht konzentrieren, vergisst Gelerntes schnell wieder, kann Regeln nicht einhalten und bringt ständig Schulverweise mit nach Hause. Bei sprachlichen Aufgaben vor allem in Deutsch in der Schule hat er gute Noten, in Mathematik ist er jedoch auf dem Stand eines Erstklässlers. Er zeigt versteckte Aggressionen z.B. spielt er ständig Krieg und Töten, gerät aber nicht in Schlägereien in der Schule. Er ist kein Rädelsführer, macht bei Streichen aber immer mit und wundert sich über die negativen Konsequenzen. Der Rektor hat den Pflegeeltern bereits angedroht, dass er Fabian bei weiteren Problemen von der Schule verweisen müsse.
Aufgrund eines Zeitungsartikels lesen die Pflegeeltern das erste Mal die Geschichte eines Kindes mit einer Fetalen Alkoholspektrumstörung (FASD) und sind sich einig: „das ist die Geschichte unseres Sohnes Fabian“.
Daher stellen sie den Jungen in der TESS Ambulanz (Risikokinder mit ToxinExposition in der SchwangerSchaft) im iSPZ Hauner des Dr. von Haunerschen Kinderspitals des LMU Klinikums München vor. Dort wird Fabian umfassend ärztlich und psychologisch beurteilt.
Es stellt sich heraus, dass Fabian einen zu kleinen Kopf, kurze Augen, verstrichene Falten zwischen Nase und Mund sowie eine schmale Oberlippe hat. Zusätzlich ist er zu klein für sein Alter. Er hat große Probleme in der Koordination sowohl in der Grob- als auch in der Feinmotorik.
Seine Aufmerksamkeit ist kurz, er ist schnell abgelenkt und sehr impulsiv. Bei der Testung der Exekutivfunktionen (höhere abstrakte Denkprozesse wie Problemlöse-Strategien oder Vorwegnehmen von Folgen eigener Handlungen) schneidet er deutlich unterdurchschnittlich ab. Auch ein Test für visuell-räumliche Fähigkeiten fällt schlecht aus. Die Auswertung von Fragebögen hinsichtlich des Verhaltens von Fabian sowohl zuhause als auch in der Schule ergibt große Ängste und Unsicherheiten, aber auch aggressive Tendenzen von Fabian.
Während der Untersuchungen ist er sehr freundlich, gibt sich große Mühe und ist sehr bekümmert darüber, dass er in der Schule so große Probleme hat und keine Freunde findet. Es tut ihm sehr leid, dass er es den Eltern nie recht machen kann und sich die Eltern so große Sorgen um ihn machen müssen. Einen Ausweg sehen weder er noch seine Eltern.
Fabian hat ein Fetales Alkoholsyndrom, hervorgerufen durch eine Schädigung des Gehirns im Mutterleib durch Alkoholkonsum der Schwangeren. Die Auffälligkeiten und Schwierigkeiten von Fabian, mit denen auch dessen familiäres Umfeld zu kämpfen hat, resultieren aus dieser alkoholtoxischen Schädigung.
Durch die Diagnose kann den Eltern ein Krankheitskonzept vermittelt werden, das Schuldzuweisungen unterbindet, die Anspruchshaltung der Eltern und anderer Bezugspersonen (inkl. LehrerInnen, TherapeutInnen, ÄrztInnen etc.) sowie den Eigenanspruch des Kindes ändert und das Familiensystem deutlich entlastet.
Eine individuell angepasste Unterstützung der Familie und Förderung des Kindes kann initiiert werden.
Weitere Informationen – Links
iSPZ Hauner – TESS-Ambulanz (inkl. Anmeldung zur FASD Diagnostik):
Elterninformation zur S3-Leitlinie FASD:
Patientenvertretung FASD Deutschland e.V.:
http://www.fasd-deutschland.de/
Drogenbeauftragte der Bundesregierung (Projektunterstützung):
Bayerisches Staatsministerium für Gesundheit und Pflege (Projektunterstützung):
Robert-Vogel-Stiftung (Projektunterstützung):
http://www.robert-vogel-stiftung.de/projekte
Sozialpädiatrische Zentren mit FASD Diagnostik nach S3-Leitlinie
Suchen Sie ein Sozialpädiatrisches Zentrum (SPZ) in Ihrer Umgebung, das FASD diagnostiziert?
Die Patientenvertretung FASD Deutschland hat eine deutschlandweite Befragung aller Sozialpädiatrischen Zentren durchgeführt, wo eine FASD-Diagnostik basierend auf der S3-Leitlinie bei Kindern und Jugendlichen durchgeführt wird. Die Rückmeldungen wurden zusammengefasst und nach Bundesland geordnet. Über diesen Link können Sie die Liste ansehen oder downloaden (kein Anspruch auf Vollständigkeit; Angaben über die Qualität der Diagnostik liegen uns nicht vor).
FASD-Eltern App
Um Fachkräften die Förderung, Unterstützung und Versorgung Ihres Kindes mit FASD zu erleichtern, haben wir eine FASD App entwickelt. Darin können Sie das Verhalten Ihres Kindes und Ihre elterlichen Ressourcen täglich einschätzen. Eine zusammenfassende Tabelle oder Graphik Ihrer Beurteilungen können Sie downloaden und auf Wunsch z.B. an betreuende ÄrztInnen, PsychologInnen oder TherapeutInnen Ihres Kindes weiterleiten. Über diesen Link gelangen Sie zu weiteren Informationen über die FASD Eltern App und zur Bewertung der App.
Tipps für den Alltag
Die Bewältigung des Alltags in Familien mit Kindern und Jugendlichen mit FASD ist für alle Beteiligten sehr herausfordernd. Wir haben Themenbereiche gesammelt, die aus unserer Erfahrung eine wichtige Rolle beim Verständnis des Krankheitsbildes FASD und bei der Betreuung erkrankter Kinder und Jugendlicher spielen. Zu jedem Themenbereich stellen wir Ihnen 1) ein Experten-Video, 2) Antworten auf häufig gestellte Fragen (FAQs) und 3) ein Eltern-Input zur Verfügung. Über diesen Link können Sie sich die Tipps für den Alltag ansehen.